Retten wir das Feierabendbier!

25. Juli 2020 | Gesellschaft

Gasthaus Wilhalm

Das alte Gasthaus Wilhalm im Herzen der Stadt war für viele Menschen mehr als nur die Möglichkeit „einen Happen zu Essen“. Bei Hedemarie und Achim hatten viele über Jahre ihr zweites Wohnzimmer. Hier trafen sich Nachbarn, Kollegen und Freunde auf ein Bier, Vereine und Stammtische richteten regelmäßige Treffen aus. Es wurden Taufen, Geburtstage und Hochzeiten hier gefeiert und Beerdigungskaffees abgehalten.

Gesellschaftliches Leben der Stadt geprägt

Jahrzehnte lang und über Generationen hinweg hat das Gasthaus das gesellschaftliche Leben in unserer Stadt mit geprägt. Wilhalm liegt mir deshalb wirklich am Herzen. Wer die Diskussion im Rat verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass ich mich bei dem Thema immer zurück gehalten habe.

Teurer Kauf ohne Konzept

Ich fand es, genau wie meine Fraktion falsch, das Gebäude zu dem Preis und zu dem Zeitpunkt ohne ein Konzept für die Nutzung zu haben, zu erwerben. Ich hätte mir eine andere Lösung gewünscht, die auch mit dem Zwischeneigentümer möglich gewesen wäre, oder deutlich günstiger im Vorfeld mit den bisherigen Eigentümern. Jetzt haben wir die Immobilie buchstäblich „an der Backe“ und das wird noch einmal richtig Geld kosten. Vorsichtig geschätzt – 2,9 Mio. Vermutlich wird es eher teurer.

Kneipen – und Wirtshauskultur erhalten

Einfach verfallen lassen können wir die Immobilie nicht. Da wir Dank der „suboptimalen“ Vertragsgestaltung das Gebäude auch nicht einfach wieder weiter veräußern können, habe ich für mich eine sehr klare Vorstellung davon, wie es mit Wilhalm zukünftig weiter gehen soll – so wir es uns auf absehbare Zeit denn überhaupt leisten können: Ich wünsche mir dort die Entstehung eines städtischen Kulturraumes mit Bühne und großem Saal und – ganz wichtig – weiterhin gepflegter Gastlichkeit im vorderen Teil. Die Scheune soll als Partyraum erhalten bleiben. Ich will die Kneipen- und Wirtshauskultur in unserer Stadt erhalten und Räume für unsere gemeinschaftstiftenden Veranstaltungen wie etwa Karneval, Volkstrauertage und Theatervorführungen.

Kneipensterben in Harsewinkel

Nach Wilhalm haben in diesem Jahr auch die „Alte Eiche“ und der „Waldhof“ geschlossen – mit der Folge, dass viele Stammtische ihr „zu Hause“ verloren haben. Am Stammtisch werden schwierige Zusammenhänge auf ein einfaches Niveau herunter gebrochen. Das kann man positiv und negativ sehen. Für viele ist es aber auch eine echte Hilfe, wenn dort plötzlich Politik und Wirtschaft verständlich werden.

Kneipe als soziokulturelle Begegnungsstätte

Zudem werden an Stammtischen soziale Brücken zwischen an sich unterschiedlichen sozialen Schichten geschlagen. Hier finden sich Unternehmer und Arbeiter, Analphabeten und Studenten – eine super-heterogene soziale Mischung. Die Kneipe an sich ist also schon sui generis eine soziokulturelle Begegnungsstätte. Wir brauchen deshalb im Gasthaus Wilhalm kein Museum, keine Verwaltungsräume, keine Beratungsstellen, kein „Backen ohne Mehl“ oder „Afrikanisches Trommeln für Anfänger“ – dafür gibt es andere Räume im Stadtgebiet. Wir brauchen Schutz der Kneipenkultur und keinen Denkmalschutz, der nicht nur alles teurer macht, sondern uns auch in der Freiheit der späteren Ausgestaltung behindert!